Ursprünglich sollte dieser Artikel ein Flugbericht meines Vereinsmeisterschaftsflugs aus dem Jahr 2018 werden. Kurz gesagt: „An dem Tag hat einfach alles gepasst!“. Da ich jetzt tatsächlich eher nicht der Typ „Reiseberichtschreiber“ bin, habe ich mich dazu entschlossen, darüber zu schreiben, was es denn aus meiner Sicht dazu braucht, dass an dem einen Tag dann einfach alles passt. Wer ein „Reiseberichtchen“ lesen möchte kann das beim Flug im DHV-XC in den Kommentaren tun.


Nun aber zurück zum Thema. Das wichtigste und leider vermutlich auch das enttäuschendste zuerst, nach dem Lesen des Artikels wird sich vermutlich nicht unmittelbar wesentlich mehr Erfolg einstellen. Erfolgreich fliegen lernt man zum einen nicht von heute auf morgen, zum anderen auch nicht beim Lesen, sondern in der Luft. Trotzdem hoffe ich, dass der Artikel möglichst viele – insbesondere frische – Pilotinnen und Piloten inspiriert sich weiter zu entwickeln. Vieles wird nicht neu sein, sondern wieder hervorgekramtes Wissen aus der Ausbildung.

Im Wesentlich besteht erfolgreiches Streckenfliegen aus den folgenden drei Säulen:

  • FLUGgerätebeherrschung
  • FLUGplanung
  • FLUGanpassung

FLUGgerätebeherrschung

Das Thema FLUGgerätebeherrschung gliedert sich weiter in die konkrete Beherrschung seines Fluggerätes und die allgemeine Beschäftigung mit den Eigenschaften und dem Verhalten unserer Geräte auf. Bei beiden Themen ist Zeit das wichtigste. Ich würde aktuell von mir behaupten, dass ich mich, auch an jedem Tag an dem ich den Gleitschirm nicht in der Hand habe, mindestens zwei Stunden mit dem Gleitschirmfliegen beschäftige. Das ist dann wohl der Zustand den man Leidenschaft nennt und Leidenschaft ist der Schlüssel zum Erfolg in allen Bereichen des Lebens. Zurück zum Gleitschirmfliegen bedeutet das einfach alles – ich meine wirklich alles – was man zum Gleitschirmfliegen und der Funktionsweise unserer Ausrüstung finden kann begierig aufzusaugen. Denn das, was man einmal gehört gelesen oder gesehen hat, kann man dann bewusst ausprobieren und dadurch lernen. Natürlich kann man auch einfach ausprobieren aber das wird entweder wesentlich länger dauern oder ziemlich sicher mit vielen Schmerzen verbunden sein. Es gibt heutzutage wirklich viele gute Quellen, die hier alle zu nennen alleine eine Seite füllen würde. An Literatur gibt es als Standardwerke: das Thermik und das Streckenflugbuch von Burkhard Mertens. Weiter finde ich persönlich das Buch 50 Wege zum besseren Piloten von Bruce Goldsmith, Mastering Paragliding von Kelly Farina und auch Nestflucht von Michael Nestler bereichernd.

Um es kurz zu machen: Je ruhiger man fliegt, desto effizienter ist es. Und ruhig bezieht sich hier auf alle drei Achsen des Gleitschirm (Quer-,Längs- und Hochachse) und auch auf die Fluglinie als solche. Im Prinzip ist es das aktive Fliegen von dem immer alle sprechen.

Wichtig ist hier sicherlich noch zu erwähnen, dass unser Fluggerät nicht nur aus dem Gleitschirm besteht, sondern aus der Kombination aus Gleitschirm, Gurtzeug und Pilot. Insbesondere das Gurtzeug fristet meist ein eher stiefmütterliches Dasein, obwohl es insbesondere für das Streckenfliegen von wesentlicher Bedeutung ist. Damit meine ich jetzt nicht, wie man vermuten könnte ein möglichst aerodynamisches Gurtzeug, das uns eine bessere Gleitzahl bescheren soll. Nein ich bin der Meinung, dass das Wichtigste ist, dass es zu einem passt. Wenn ich damit mehrere Stunden in der Luft unterwegs sein möchte, liegt die Priorität darin, dass ich in einer möglichst bequemen, äußerst entspannten Haltung darin Platz nehme. Probieren geht hier mal wieder ganz klar über studieren, sprich man muss es einfach ausprobieren / probesitzen.

FLUGplanung

In den wenigsten Fällen kommen weite Streckenflüge zufällig zustande. Insbesondere zu Beginn der Streckenflugkarriere hilft eine ausführliche Planung dabei schnell Fortschritte zu machen. Mittels der Flugplanung sollten im Wesentlichen folgende Fragen beantwortet werden:

  • Wie ist die Wettervorhersage?
  • Wo starte ich?
  • Wo darf ich fliegen?
  • Gibt es Hauptflugrouten?
  • Wann sollte ich wo fliegen?
  • Welche Alternativen gibt es?
  • Wie ist die Wettervorhersage?

Da wir zu 100% von Wind und Wetter abhängig sind, bestimmt dies in erster Linie wie das Streckenflugvorhaben aussieht. Der Aufgabentyp (freie Strecke, flaches Dreieck oder FAI-Dreieck) wird häufig vom überregionalen Wind beeinflusst. Für geschlossene Aufgaben ist wenig bis kein überregionaler Wind hilfreich, da mindestens einmal gegen den Wind geflogen werden muss. Bei freien Strecken in eine Richtung wird in aller Regel mit Rückenwind geflogen, um schnell voran zu kommen. Für alle Aufgabentypen gleichermaßen sind die weiteren Wetterfaktoren, hohe Basis, gute Thermik und lange Thermikzeit die Zutaten für weite Flüge.

Um kein Flugwetter zu verpassen habe ich die Bilder der Vorhersagen (Schauinsland/Feldberg/Kandel, Meteoblue und Meteomedia), aktuelle Windwerte (Schauinsland/Feldberg/Gschasi) und Webcams (Schauinsland/Kandel/Gschasi) als Widgets auf 6 Homescreens meines Android Smartphones gelegt. So habe ich alle wesentlichen Infos einfach erreichbar.

Wo starte ich?

Sind die Wettervoraussetzungen also prinzipiell geeignet, geht es als nächstes darum von wo aus gestartet werden soll. Bei der Startplatzwahl ist als erstes wieder der überregionale Wind von Bedeutung. Ist er schwach, kann er oft auch vernachlässigt werden, da er bei vielen Startplätzen mit dem Einsetzen der Thermik überlagert wird. Soll früh gestartet werden, um möglichst lange fliegen zu können, sind natürlich östlich ausgerichtete Startplätze von Vorteil. Häufig sind aber auch von nicht östlich ausgerichteten Startplätzen frühe Thermikquellen erreichbar.

Wo darf ich fliegen?

Steht fest wo gestartet wird, gilt es als nächstes zu klären wo geflogen werden darf. Als erstes sollte man sich über lokale Besonderheiten informieren. Diese findet man in aller Regel beim für den Startplatz Verantwortlichen, in Deutschland ist dies in den meisten Fällen ein Verein. Die wichtigsten Fragen die es hier zu klären gilt, sind: Wie sind die Gastflugregeln? Gibt es Besonderheiten / Gefahren? Gibt es Beschränkungen? (z.B. Vogelschutz, Luftraumbeschränkungen, benachbarte Flugsportvereine (Segelflug/Modellbau))
Sind die lokalen Gegebenheiten geklärt, gilt es sich mit der Luftraumstruktur vertraut zu machen. Hierzu ist jeder Pilot verpflichtet die ICAO Karte zu nutzen. Diese kann, nach Anmeldung, mittlerweile auch kostenlos bei der DFS online genutzt werden. Im Bereich des Schwarzwalds sind die Haupt „Hindernisse“ für uns die CTR Zonen von Basel und ganz im Süden Zürich, sowie die RMZ Donaueschingen. Da es über die normalen Lufträume hinaus auch die Möglichkeit von temporären Änderungen gibt, muss nach Abschluss der Routenplanung diese noch auf NOTAM’s hin geprüft werden.

Gibt es Hauptflugrouten?

Spricht auch aus Luftraumstrukturgründen nichts gegen einen Streckenflug, ist es sinnvoll sich mit den Hauptflugrouten der Region vertraut zu machen. Hier sind sowohl der DHV-XC (insb. für Deutschland), der XContest sowie die Skyway Karte gute Quellen.

Wann sollte ich wo fliegen?

Habe ich eine Streckenflugroute gefunden, die ich in Angriff nehmen möchte, ist die nächste logische Überlegung in welche Richtung diese Route geflogen werden soll. Handelt es sich um eine Standardroute ist die Richtung in der diese Route geflogen wird meistens anhand von Traks ersichtlich. Ist es keine Standardroute sind die Überlegungen hier aber eigentlich auch ganz einfach: „Immer der Thermik hinterher“. Durch diese Vorgabe ergibt sich ein Routenverlauf der dem Gang der Sonne folgt. Am besten starten wir also an östlich ausgerichteten Hängen, folgen dann im weiteren Verlauf Südhängen und gegen Abend nutzen wir die letzten Thermiken der Westflanken. Der überregional vorherrschende Wind, sowie die regionalen Winde im Wesentlichen die Talwinde und üblichen Konvergenzen können ein Abweichen von der üblichen Routenwahl jedoch sinnvoll machen. Im Idealfall kann man seine Route so planen, dass man möglichst viele Rückenwindpassagen mitnehmen kann. Insbesondere den Verlauf und die üblichen Stärken von Talwinden sollte man sich hier genauer anschauen, um nicht später in der Luft von einem starken Talwind überrascht zu werden. Hier bieten vor allem Vorhersagen mit einer hohen Auflösung sowie die Möglichkeit Winde in unterschiedlichen Höhen anzuzeigen eine gute Orientierung.

Zu einer guten Flugplanung gehört es auch sich zu überlegen, wann man denn ungefähr an welcher Stelle der Route sein sollte, damit einem am Ende nicht die Thermik ausgeht. Hierzu reicht es aber vollkommen aus sich dies anhand einiger markanter Punkte auf der Route zu überlegen. Bei einem Dreieck bieten sich hier die Wendepunkte an. Als Grundlage zur Berechnung der Zeit, sollte man am besten die Durchschnittszeiten seiner letzten Streckenflüge hernehmen. Hat man keine eigenen Werte, so sollte man sich eher an den langsamen Piloten orientieren die im geplanten Gebiet Streckenflüge absolviert haben. Im Schwarzwald liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit meist im Bereich von 15 bis 25 km/h, im Mittel vermutlich so um 17 km/h. Die Durchschnittsgeschwindigkeit hängt natürlich maßgeblich von der Stärke der Thermik, dem Wind, sowie den Kurbelfähigkeiten des Piloten ab.

Welche Alternativen gibt es?

Man kann zwar viel Planen – doch da je ambitionierter die Planungen sind umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Plan nicht aufgeht. Man sollte sich schon bei der Planung mögliche Alternativen überlegen. Für den Anfang empfiehlt es sich Routen zu wählen, die durch verschieben der Wendepunkte in ihrer Größe variiert werden können. So kann man während des Flugs die Route verändern je nach dem wie schnell man vorankommt.

FLUGanpassung

Jetzt kommt das Wichtigste überhaupt – Anpassung an die Gegebenheiten in der Luft. Man kann und muss zwar im Vorfeld an einen größeren Streckenflug viel planen, aber letztendlich basiert das alles nur auf Annahmen, die nie zu hundert Prozent eintreffen.

Genau so wie beim Thema FLUGgerätebeherrschung ständig die Reaktionen des Piloten auf die Aktionen/Reaktionen des Schirms angepasst werden müssen, muss auch die FLUGplanung im Flug ständig angepasst werden, um auf meteorologische Gegebenheiten zu reagieren. Aufwinde sind zwar oft an den selben Stellen, aber manchmal dann eben auch wieder nicht. Wenn wir den Luxus von Thermikwolken oder sogar Wolkenstraßen haben, orientieren wir uns natürlich an diesen und passen unsere Route an. Auch sind natürlich andere Piloten, Vögel oder Segelflieger exzellente Thermikanzeiger, denen wir – wenn möglich – folgen sollten. Wer versucht krampfhaft seine geplanten Routen genau abzufliegen wird vermutlich häufig frustriert am Boden stehen.

Alles klar jetzt?

Sicher denkst du dir jetzt „Ist ja alles schön und gut, aber wie mache ich das jetzt mit dem 100km FAI?“ Ist eigentlich ganz einfach:

  1. So viele Informationen wie möglich aufsaugen.
  2. Einen Plan überlegen und versuchen ihn umzusetzen.
  3. Reflektieren und adaptieren – Was hat geklappt? Was hat nicht geklappt? Wieso hat es nicht geklappt?
  4. Wieder zu 1.

Und dann wird der Tag kommen, an dem einfach alles passt und du am Ende eines langen, schönen Flugs einfach nur glücklich bist. Dass es nicht einfach ist und eben der Tag auch passen muss, zeigt sich auch daran, dass es mir bisher nicht gelungen ist einen zweiten Flug über 100km zu machen. Aber ich bin zuversichtlich, dass der Tag kommen wird und bis dahin lerne ich einfach weiter, werde besser, genieße die Flüge und freue mich über jede gute Landung.

Ich bin dann mal fliegen!


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Literatur:
Internet Quellen:
Youtube: